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Dienstag, 22. Juli 2014

Nothing is free

Ausser man klaut es.





Die drei Brombeer-boys, die ich von den Bergen zum Zirkus gebracht habe, sind ein interessantes Studienobjekt. Einer ist der Chef, einer ist ein schweigsamer und unbeholfener  Mitläufer, und einer ist ein mitdenkender und zupackender Arbeiter. Ob sie bleiben oder nicht, hängt vom Chef ab, der auf der „Dichtung-und-Wahrheit-Skala“ schwierig einzuordnen ist. Könnte sein, dass er damit liebäugelt, auf einfachere Art zu mehr Geld zu kommen als dies im Zirkus möglich ist.

Wie viel gedruckter Unsinn auf T-shirts herumgetragen wird, erstaunt kaum mehr. Man gewöhnt sich daran. Ob die Leute ohne Englisch-Kenntnisse überhaupt wissen, was für „messages“ sie durch die Welt tragen? Die junge Frau wohl schon, auf deren vollbusiger Vorderseite „Good girls love bad boys“ steht. Aber wie ist es mit dem armen Schlucker, der sich die Aufschrift „Earn it – nothing is free“ aus der Kleidersammlung gezupft hat und auf seinem holprigen Pferdewagen eine Kiste Bier nach Hause chauffiert? Während mir das Wort „zynisch“ durch den Kopf geht, kommt mir ein anderer – nicht mehr ganz sicheren Schrittes – entgegen, mit einem doofen Bild und den Worten „Real Life“ auf der Brust. Klar, dass er mich um eine Zigarette bittet. Kein Geld, sein Vater sei im Gefängnis, weil er den Liebhaber seiner Mutter erstochen habe. Ich schaue ihm nach. „Good fathers kill bad lovers“ steht auf seinem Rücken. Oder halluziniere ich in der Mittagshitze?

Keine Halluzination ist, dass die drei Jungs den Zirkus durch den Hintereingang verlassen haben. Und dass dem Arbeiter, mit dem zusammen sie im Wagen untergebracht waren, sein Erspartes fehlt. Davon werden sie drei Wochen leben können. Und dann? „Steal more – it`s free“.