Eigentlich
wollte ich heute Galati verlassen und weiterziehen.
Immerhin: Die
Ortsende-Tafel ist 100 Meter hinter mir.
Und jetzt
bin ich daran, 1kg Erdbeeren zu verdauen. 100 Meter nach Galati.
Auf dem
abgeschlossenen Platz einer modernen Auto-Werkstatt. Behütet von einem netten
Nachtwächter und einem netten Rottweiler. Vorläufig hat er erst mal ganz nett
und harmlos neben mir zwischen die Zierbüsche geschissen.
Gegen Mittag
verabschiede ich mich von den Zirkusleuten. Sie werden auf dem zugewiesenen Warteplatz
ausharren, bis eine Bewilligung für hier oder anderswo eintrifft. Derweil
liegen die Hunde und Hündchen faul unter den Lastwagen, das Kamel schaukelt
seinen Kopf im immer gleichen Rhythmus im Gestrüpp dahinter, ein Pony wartet in
seinem kleinen Asphalt-Gehege zwischen den Wohnwagen, bis sein vorletzte Nacht
geworfenes Junges zu trinken beginnt, Amy zeigt sich mal ungeschminkt, die
18-jährige Loredana zeigt ihren zum zweiten Mal schwangeren Bauch, Mihai hat
ein Game auf dem Handy, in welchem eine Comics-Maus gehorsam alle seine Wörter
nachspricht, einer hängt seine Wäsche zum Trocknen auf (es gibt in diesem Land
keine unbeschrifteten T-shirts), und der bulgarische Chauffeur steht mit
verschränkten Armen bei seinem Camion und wartet auf seinen 60-sten Geburtstag.
Der Kamelpfleger
tut sich schwer mit dem Abschied. Ich solle doch bei ihnen bleiben. Ich sei für
ihn wie ein Bruder. Nein, wie ein Vater. Oder ein Grossvater. Auf weitere
Steigerungen verzichtet er.
Alexanders
hübsche Frau, die im Zirkushimmel schwebende, sähe mich in einer andern Rolle.
Es fehle im Programm das Lachen, hätte ich ihr doch gesagt. Und jetzt?
Dieser Platz
ist eigentlich die nicht mehr benutzte Zufahrtsstrasse zu einem nicht mehr
benutzbaren Stadion. An deren Anfang hält die Mauer mit dem Sport-ist-gesund-Emblem
der täglichen Pisse von alten Hunden und jungen Männern hartnäckig stand.
Ich suche
den richtigen Weg aus Galati heraus und weiss jetzt auch, wo „Lidl“, „Auchan“,
„Kaufhaus“ sind. Was ich vorher schon wusste: Dass Mihai vom Security-Mann
nicht in den Lidl hereingelassen wurde. Nicht in diesen Arbeitskleidern! Lidl
ist chic hier in Romania.
Bei einer
Garage mache ich einen kurzen Stopp, um mich wegen einer Arbeit am Rolling
sweet home zu erkundigen. Von wegen kurz! Ich bin beim nächsten Zirkus
gelandet! „Florin ist grad für eine halbe Stunde weg. Möchtest du warten?
Möchtest du einen Kaffee? Mit oder ohne Zucker?“ Livia ist nett. Der Rottweiler
langweilt sich nett. Ich warte. Das Thermometer zeigt 35°. Aus einer „jumata de
ora“ wird eine ganze ora.
Dann kommt Florin. Er winkt mich heran wie es die Griechen tun, so dass es aussieht wie ein Wegschicken. Er führt mich ins Gelände hinter der Garage. Da steht ein schwarzer Cadillac. Coupe de Ville. Jahrgang 1971. Aus Norwegen geholt. Muss aber noch restauriert werden. Ich zeige ihm ein Foto des Chevrolet Monte Carlo meines Sohnes Timo. – Wir sind Freunde.
Dann kommt Florin. Er winkt mich heran wie es die Griechen tun, so dass es aussieht wie ein Wegschicken. Er führt mich ins Gelände hinter der Garage. Da steht ein schwarzer Cadillac. Coupe de Ville. Jahrgang 1971. Aus Norwegen geholt. Muss aber noch restauriert werden. Ich zeige ihm ein Foto des Chevrolet Monte Carlo meines Sohnes Timo. – Wir sind Freunde.
An der
Receptie fragt Livia, ob ich auch Erdbeeren kaufen möchte. Sie habe gesehen,
dass ein Kunde in seinem Auto Erdbeeren geladen habe. Das Business läuft gut –
die halbe Belegschaft isst heute Abend die angeblich besten Erdbeeren von
Galati.
Zwischendurch
wird (auch) über den eigentlichen Grund meines Kommens diskutiert. Man
versucht, eine Lösung zu finden. Das „Nu este posibil“ kehrt sich in ein „Nu
problema“.
Um 7 Uhr
fragt man, wo ich jetzt noch hin wolle? „Du kannst über Nacht auf unserem Areal
bleiben. Nu problema.“ Und Erdbeeren fressen – nu problema.
Am nächsten
Tag fahre ich Richtung Donau-Delta. Zur Überquerung der Donau, bzw. der jetzt
in verschiedene Teile und Arme aufgeteilten Donau, gibt es Fähren. Da muss man
halt mal ein Weilchen in der heissen Sonne warten, bis man herangewinkt wird.
Und zum Beispiel den Hunden zuschauen. Den real underdogs Rumäniens. Oder diese
kommen mich anschauen. Mit dem
„Hast-du-mir-etwas-zu-essen-ich-stehe-nämlich-in-der-Hierarchie-noch-unter-den-Zigeunern“-Blick.
„Sucht euch eine Arbeit, dann habt ihr zu essen!“, rufe ich ihnen nach. Ich
habe gelernt, was man in der Strasse den Bettelnden sagt. Wenn man ihnen
überhaupt etwas sagt. Denn arbeiten kann man – man darf sich nur nicht zu
schade sein. Beispiel 1: Eine Frau sitzt in einem kleinen Kunststoff-Häuschen,
das mitten auf dem heissen Dreckplatz steht, und verkauft die Billete für die
Fähre. Beispiel 2: Eine andere Frau geht mit Süssgebäck herum, das sie den
wartenden Auto-Menschen verkaufen möchte. Beispiel 3: Abwechselnd eine bis drei
Frauen hocken im Schatten eines Baumes und steigen in und aus Autos, die
ausschliesslich von Männern gesteuert werden. Ihr Geschäft läuft am besten. Man
muss nur wollen… Täglich…
Eine schöne
Fahrt bringt mich über Tulcea nach Murighiol, also dem südlichen der drei
Hauptarme der Donau, dem Bratul Gheorghe, entlang. Auf den andern zwei kommt
man nur mit dem Schiff zum Delta hinaus.
Die wenigen Käffer im Delta können vom
Tourismus der Naturfreaks und Vögelibeobachter (sorry, birdwatchers) leben. Man
lässt sich von einem Einheimischen („Look, pelican!“) mit einem Motorboot das
Wasser-Labyrinth zeigen. Obwohl ich kein begeisterter Vögeler bin, lasse auch
ich mich von Tiberio herumschiffen. „Look, tourist!“, hörte ich ein Krokodil
sagen.
Zurück von den Peli- Kanen und Koranen geniesse ich die letzten Garagen-Erdbeeren. When worlds come together...
Zurück von den Peli- Kanen und Koranen geniesse ich die letzten Garagen-Erdbeeren. When worlds come together...
Zurück beim
Rolling sweet home fragt mich ein älterer Mann (ältere Männer sind hier
meistens zehn Jahre jünger als ich), ob er eine Zigarette haben könne. Ich
kriege aber dafür ein Gegengeschenk. Er gibt mir sein Plastksäckli, in welchem
sich ein gekochtes Ei und ein Stück Kuchen befinden. Das sei frisch, er habe es
soeben vom Friedhof gegenüber. Die Leute gehen eben oft mit einem Körbchen aufs
Grab, um ihre Liebsten mit Essen zu versorgen. Der Kuchen war sehr gut, eine
Art Panetone. - Totenhehlerware.