... und beides günstig.
Nach zehn
Tagen verlasse ich Curtea de Arges, wo sich die prunkvolle und wohl berühmteste
Kirche Rumäniens befindet. Da ich das Rolling sweet home gleich dahinter unter
den Bäumen stehen hatte, bin ich täglich und am Wochenende non-stop von den
orthodoxen Mönchsgesängen berieselt worden. Dieses Schicksal teilte ich mit
einem Rudel wilder Hunde, die, wenn es um einen Brocken Essbares ging,
ihrerseits mit Kampfgekläffe für akustische Abwechslung sorgten. Keinen Lärm
machten die Spielzeug-Maschinengewehre, welche die Souvenirbuden nebst
Heiligenbildern, Gartenzwergen und Made-in-China-Ramsch im Angebot haben. It`s
all fake, anyway. Etwas weiter weg vom holy place, für Lob- oder Klagegesänge
unerreichbar, ist „the fucking place“, Gabis Autowerkstatt. Dazwischen sind 20
Restaurants, 20 Autowaschanlagen, 20 Second-hand-Kleiderläden, 20 Bancomaten
und einige Leute mit Geld und viele ohne.
Ich verlasse
also Curtea de Arges, möchte für ein paar Tage in die Bergesruh` um dann – es
muss sein – nochmals den Zirkus aufzusuchen.
Ich fahre
durch die hügelige Landschaft Transsilvaniens nach Targu Mureş und
weiter in die Karpaten. A beautiful drive. Dies ist meist ungarisch-sprechendes
Gebiet, und es wird mir klar, warum die Rumänen die ungarische Minderheit nicht
sehr mögen: Hier werden nämlich die Häuser und das Drumherum viel mehr
gepflegt, man legt Blumen- und Gemüsegärten an, und die Rasenmäher surren, dass
es eine Freude ist. Eigeninitiative…
Eine
andere Möglichkeit der Eigeninitiative ist – immer wieder anzutreffen – der
Strassenstrich. Besser: der Parkplatzstrich. Das können in der Hitze liegende
grosse Vorplätze einer Baufirma sein oder kleine im Schatten der Bäume sich
befindende Picknickplätze. Wenn du also für eine Pause anhalten willst oder
musst, sind schnell mal ein paar Frauen (Mädchen?) bei dir und fragen: „Sex?“.
Einmal frage ich zurück: „Kaffee?“. Andrea möchte nur Wasser. Sie ist 22, hat
zwei Kinder, zeigt mir Photos von ihnen (der Ältere ist 8 …!), wohnt im Dorf
hinter dem Hügel, ist verheiratet und noch mit dem Mann zusammen (nicht
unbedingt die Regel). Ihr Einkommen ist nicht gross, aber es ermöglicht der
Familie, an Weihnachten sogar ein paar Geschenke unter den Christbaum zu legen.
Eine
ziemlich anders gelagerte Form der Eigeninitiative erlebe ich in den Bergen.
Auf einem kleinen Pass stelle ich mein Gefährt in die Weide und geniesse die
Aussicht. Schon bald steht ein junger Mann vor mir und bietet mir Brombeeren
zum Kauf an. Zwei andere kommen aus dem dunkeln Tannenwald. Die drei Brüder
sind um die 18 Jahre alt und sind aus einer etwa 100 km entfernten Stadt. Sie
haben ihre paar Bani in ein Zugbillet investiert und sind dann zu Fuss nach
hier oben gekommen, weil jetzt Beerenzeit ist. Seit einigen Tagen schlagen sie
sich, jeder mit einem Plastikkübel, in den Wäldern herum und verkaufen die
gesammelten Brombeeren am Strassenrand. Sie schlafen draussen und haben ausser
den Kleidern, die sie gerade tragen (und einem Smartphone!) nichts dabei. Wenn
es regnet, müsse man sich eben zusammenducken unter einem Baum. Gegessen hätten
sie heute noch nichts.
Sie seien
acht Geschwister, und die Eltern hätten auch keine Arbeit. Die 19-jährige
Schwester verdiene etwas Geld als … Als Babysitterin, erklären sie.
Es beginnt
zu regnen und es kühlt merklich ab. Das Rolling Sweet Home wird zum Hotel. Am
Morgen ergibt sich ein schönes Bild, wie sich die drei unter der
Schweizer-Armee-Wolldecke kuscheln.
Ich will
ja weiter zum Zirkus und frage telefonisch nach, ob sie drei willige Jungs
brauchen können. Sie klatschen in die Hände, als ich ihnen die positive Antwort
ausrichte.
Am Abend
in der Vorstellung führt der eine schon ein Pony in die Manege! Eine rumänische
Erfolgsgeschichte?